Modellprojekt zur Weiterentwicklung und Professionalisierung von Nachbarschaftshilfevereinen in Hessen

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Hintergrund

Bei der Unterstützung hilfs- und pflegebedürftiger Menschen sowie ihrer Angehörigen werden Nachbarschaftshilfevereine zunehmend wichtiger. Sie erbringen mithilfe ehrenamtlich Tätiger eine Vielzahl von Leistungen – beispielsweise die Begleitung bei Arztbesuchen und Spaziergängen, die zeitweise Betreuung Dementer und Pflegebedürftiger oder sie helfen im Haushalt. So tragen sie dazu bei, dass Angehörige entlastet werden und hilfsbedürftige Menschen weiterhin in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung leben können. Gewerbliche Anbieter wie ambulante Pflegedienste und Dienstleistungsagenturen können den großen Bedarf in diesem Bereich nicht abdecken, Pflegedienste und Sozialstationen bieten auch immer seltener sogenannte hauswirtschaftliche Leistungen an.

Nachbarschaftsvereine sind in der Regel lokal gut vernetzt und eingebettet und genießen daher an ihren Standorten Vertrauen. Aber Vereine können die Versorgungslücken nur zu einem Teil schließen. Sie sind in der Regel nicht professionell genug strukturiert, weshalb wichtige administrative Aufgaben wie die Einsatz- und Personalplanung, die Abrechnung von Leistungen und Aufwandsentschädigungen für die eingesetzten Helfer oder die Anwerbung neuer Mitglieder an einzelnen Ehrenamtlichen „hängen bleiben“. Diese sind dadurch oft stark belastet. Meistens fehlt es an jungen, leistungsfähigen und fachlich qualifizierten Mitarbeitenden. Auch dadurch sind die Kapazitäten der Vereine sehr begrenzt.

Einige Nachbarschaftsvereine beschäftigen mittlerweile zwar sozialversicherungspflichtige Haushaltshilfen oder auch professionelle Koordinatorinnen oder Koordinatoren. Damit werden sie jedoch zu Arbeitgebern, was durch ihre Organisationsform als Verein mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden ist, u.a. stellen sich Haftungsfragen für den Vorstand.

Ziele des Modellvorhabens

Da die meisten Vereine kaum die Ressourcen haben, ihre Weiterentwicklung aus eigener Kraft voranzutreiben, erprobt nun ein Team von InterVal gemeinsam mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Frankfurter Goethe-Universität in einem Modellvorhaben in Hessen, wie Nachbarschaftshilfevereine professioneller und leistungsfähiger werden können, mit dem Ziel, ihre wichtige Funktion zu erhalten und möglichst weiter auszubauen. Grundlage für dieses Projekt ist das Elfte Buch des Sozialgesetzes (SGB XI), das nicht nur die Förderung von Unterstützungsangeboten und ehrenamtlichen Leistungen festschreibt, sondern ausdrücklich auch die Finanzierung von Modellvorhaben, in denen „neue Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen“ erprobt werden, insbesondere für an Demenz Erkrankte und andere Pflegebedürftige. 

Das Konsortium von InterVal und IWAK wird bis Februar 2025 gemeinsam mit mehreren Nachbarschaftshilfevereinen als sogenannten Praxispartnern in verschiedenen Regionen Hessens eine Reihe von Ansätzen erproben, wie sich Strukturen verbessern und Abläufe optimieren lassen. Ein wesentliches Ziel ist es, die Vereinsvorstände und Vorstandsmitglieder zu entlasten, mit deren Einsatz und Engagement gegenwärtig die Funktionsfähigkeit der Vereine steht oder fällt. Die Professionalisierung soll deren Leistungsfähigkeit unabhängiger von Einzelpersonen machen und langfristig dafür sorgen, dass stabile Versorgungsstrukturen vor Ort in den hessischen Regionen entstehen.

Umsetzung

Im Modellprojekt übernehmen InterVal und IWAK die Funktionen der wissenschaftlichen Beratung, externen Impulsgebung und des Prozessmanagements. Den Nachbarschaftshilfevereinen wird anhand von Praxisbeispielen und eigener Expertise aufgezeigt, wie sich Strukturen und Abläufe verbessern lassen. Im Verlaufe des Projektes unterstützen und beraten InterVal und IWAK die Vereine auch bei der Umsetzung einzelner Schritte, organisieren den Erfahrungsaustausch und stellen zudem Kontakte zu Expertinnen und Experten her. Das Konsortium konzentriert sich dabei auf fünf wichtige Aufgabenbereiche:

  1. Die professionelle Anwerbung neuer Ehrenamtlicher für haushaltsnahe Dienstleistungen
  2. Begrenzung von Haftungsrisiken für den Vereinsvorstand
  3. Die Qualifizierung von Ehrenamtlichen, gegebenenfalls auch Hauptamtlichen, unter anderem mithilfe von E-Learning und Selbstlernmethoden
  4. Die Professionalisierung und Vereinfachung administrativer Prozesse wie Einsatzplanung, Abrechnung und Erstattung – auch über Software-Lösungen und Pooling 

  5. die Professionalisierung des Schnittstellenmanagements in der Region und die Vernetzung der Vereine mit Pflegestützpunkten, Compass-Beratungsstellen, Jobcentern, Bildungsträgern, anderen Nachbarschaftshilfevereinen und anderen

Auf Basis der gesammelten Erfahrungen wurden sechs Praxisleitfäden erarbeitet, die auch anderen, nicht am Modellvorhaben beteiligten Nachbarschaftsvereinen als praktische Anleitung dienen sollen und die hier runtergeladen werden können.