Studie zum Entwicklungsbedarf in der Hilfe zur Erziehung in Sachsen aus der Perspektive von Jugendlichen mit Erfahrung in Jugendhilfeeinrichtungen über Tag und Nacht

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Zum Hintergrund

Die Hilfen zur Erziehung und insbesondere die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe gemäß § 34 SGB VIII stehen seit Jahren im Fokus der (Fach-)Öffentlichkeit. Zu den Faktoren für eine gelungene individuelle Hilfeplanung und Leistungsgewährung gab es jedoch bislang nur wenige wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse.

Zur Studie

Im Rahmen der qualitativen Studie ging InterVal der zentralen Frage nach, wie die Hilfen und die individuelle Hilfeplanung bestmöglich gestaltet werden können, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrer persönlichen Entwicklung und bei der Bewältigung der Herausforderungen des Jugendalters nachhaltige Unterstützung zu bieten. Der Schwerpunkt lag dabei auf Jugendhilfeeinrichtungen über Tag und Nacht gemäß § 34 SGB VIII als Lebensorte für junge Menschen. 

Die Studie beleuchtete erstmals in Sachsen systematisch Erfahrungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe über Tag und Nacht leben oder gelebt haben (Careleaver). Dies beinhaltete Fragen zur individuellen Hilfeplanung, zur Beteiligung der jungen Menschen, zur Förderung von Kontakten zu ihren Herkunftsfamilien und sozialen Netzwerken sowie zur Begleitung des Übergangs in die Selbstständigkeit. Besondere Berücksichtigung fanden Fragen zur Verwirklichung der Kinderrechte, etwa durch Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten.

Methodisches Vorgehen

Im Kern der Studie standen Fokusgruppen- und Einzelinterviews, die InterVal-Forschende mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 16 bis 27 Jahren durchführten. Ergänzend dazu analysierten wir Sekundärdaten zur Struktur, Zielgruppe und Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung und untersuchten Veröffentlichungen zu zentralen Qualitätsanforderungen an Hilfen zur Erziehung und zu den Entwicklungsaufgaben im Jugendalter.

Im Rahmen eines Workshops wurden zusammen mit jungen Menschen Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Hilfe zur Erziehung in Sachsen erarbeitet, die sich an verschiedene Adressatinnen und Adressaten richten. Die Studie wurde zudem durch einen Projektbeirat begleitet.

Ergebnisse

Die Erfahrungsberichte der jungen Menschen zeigten, dass neben der Sicherstellung ihrer Grundbedürfnisse vor allem die Qualität der Beziehung zu den sie umgebenden Erwachsenen (z. B. mit Blick auf Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Bedürfnisorientierung) für ihre persönliche Entwicklung sehr wichtig ist.

Dabei verwiesen die Schilderungen der jungen Menschen auch auf eine Reihe von strukturellen Defiziten in der Hilfe zur Erziehung im Freistaat Sachsen. Dazu zählten u. a. eine unzureichende Beteiligung in der Hilfeplanung, die Ausübung von Druck zur schnellen Verselbstständigung und eine unzureichende Nachbetreuung, eine mangelnde Sensibilität und problematisches Verhalten seitens des zuständigen Personals in den Einrichtungen und Jugendämtern sowie fehlende Beschwerdemöglichkeiten. Diese Aspekte erschwerten, dass junge Menschen in stationären Einrichtungen ihre Entwicklungsaufgaben (Verselbstständigung, Positionierung und Qualifizierung) erfolgreich bewältigen können.

Die Studie enthält neben neuen Erkenntnissen zu den Qualitätsmerkmalen stationärer Jugendhilfeeinrichtungen aus Sicht junger Menschen auch konkrete Handlungsempfehlungen für eine Weiterentwicklung der Hilfe zur Erziehung in Sachsen. 

Publikation

Valtin, A. / Reyes, A. / Reimann, K. / Eckl, V. (2024). Entwicklungsbedarf in der Hilfe zur Erziehung in Sachsen aus der Perspektive von Jugendlichen mit Erfahrung in Jugendhilfeeinrichtungen über Tag und Nacht. Eine qualitative Studie. Berlin.

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