Evaluation des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch)

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Forschungsauftrag

Das aus dem Jahr 2017 stammende Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) wurde zum 1. Januar des Jahres 2021 novelliert. Mit der Neuregelung wurde in § 8 GSA Fleisch zugleich der Auftrag zur Evaluation gesetzlich verankert. Das BMAS hat die Evaluation im Mai 2021 öffentlich ausgeschrieben. Die InterVal GmbH hat sich in Kooperation mit der IMAP GmbH und Prof.in Dr. Svenja Karb von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim am Vergabeprozess beteiligt und für sein Angebot im November 2021 vom BMAS den Zuschlag für die Evaluation erhalten.

Die Evaluation begann zum 1. Januar 2022 und endete nach eineinhalb Jahren mit Vorlage des Abschlussberichts zum 30. Juni 2023. Die Evaluation erfolgte im Auftrag des BMAS, aber inhaltlich unabhängig. Die Umsetzung folgte allein den in der Leistungsbeschreibung des BMAS formulierten Aufgaben und Fragestellungen, dem inhaltlichen Angebot sowie wissenschaftlich-methodischen Standards der empirischen Sozialforschung.

Untersuchungsgegenstand

Die Arbeitsbedingungen in der deutschen industriellen Fleischwirtschaft stehen seit Jahrzehnten im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Kontext von geöffneten Arbeitsmärkten, starker Preiskonkurrenz und abnehmender Tarifbindung haben sich Praktiken entwickelt, welche teilweise die Rechte von Arbeitnehmenden unterlaufen. Dazu beigetragen hat insbesondere, dass die Betriebe Personal über Werkverträge oder Arbeitnehmerüberlassung beschäftigten, sogenanntes Fremdpersonal. Häufig rekrutieren sie Personal in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und das GSA Fleisch von 2017 haben die Situation nur geringfügig verbessert. Der Gesetzgeber hat das GSA Fleisch deshalb zum Januar 2021 verschärft. Dadurch wurde u. a. die Beschäftigung von Fremdpersonal stark eingeschränkt. Ausnahmen bestehen für das Handwerk und unter bestimmten Voraussetzungen befristet auch für die Arbeitnehmerüberlassung.

  • Nach dem neuen GSA Fleisch muss ein Unternehmer seinen Betrieb bzw. die übergreifende Organisation nun als alleiniger Inhaber führen.
  • In den Bereichen Schlachten/Zerlegen und Verarbeitung dürfen weder Werkvertragsunternehmen noch Selbstständige tätig werden.
  • Im Bereich Schlachten/Zerlegen ist seit dem 1. April 2021 auch Arbeitnehmerüberlassung verboten. In der Verarbeitung ist Arbeitnehmerüberlassung ausnahmsweise erlaubt, falls ein Tarifvertrag dies regelt. Auch dort ist Arbeitnehmerüberlassung quantitativ begrenzt (max. acht Prozent des kalenderjährlichen Arbeitszeitvolumens und maximal 100 VZÄ).
  • Für Handwerksunternehmen unter 50 tätigen Personen (d. h. inkl. Fremdpersonal) ist der Einsatz von Fremdpersonal möglich.
  • Für die Überprüfung, ob die Einschränkung des Einsatzes von Fremdpersonal eingehalten wird, sind die Zollverwaltung und die Bundesagentur für Arbeit zuständig.
  • Die Arbeitszeit wurde durch explizite Einbeziehung der Rüst-, Wasch- und Umkleidezeit präziser definiert.
  • Bußgelder für neue Tatbestände sind bis zu einer Höhe von 500.000,- € vorgesehen.

Untersuchungsauftrag

Die Leistungsbeschreibung definierte als Auftrag der Evaluation die Untersuchung der mit Neuregelung verfolgten Ziele, als da wären

  • der bessere Arbeits-/Gesundheitsschutz,
  • bessere Arbeitsbedingungen,
  • mehr Transparenz und
  • die bessere Durchsetzung des Rechts bzw. die Verhinderung von Missbrauch oder nicht intendierten Nebenfolgen,
  • die Evaluation des Verbots von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung,
  • die Evaluation der Ausnahme für das Handwerk sowie
  • die Evaluation der Fortführungsnotwendigkeit und der Anpassungsbedarfe der Ausnahme vom Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Verarbeitung.

Forschungsleitende Fragen

Die konkreten Fragestellungen der Evaluation leiten sich teils aus dem Untersuchungsauftrag ab, teils aus dem theoretischen Modell über die Wirkungszusammenhänge und Einflussfaktoren. Kern dieses Modells ist die begründete Annahme, dass die Neufassung des GSA Fleisch die Arbeitsbedingungen im Wesentlichen nicht direkt beeinflusst, abgesehen von der Präzisierung der Arbeitszeitdefinition. Unmittelbar zwingt das GSA Fleisch Unternehmen lediglich, vertragliche Beziehungen neu zu strukturieren und die zuvor über Arbeitnehmerüberlassung oder Werkverträge im Betrieb Tätigen direkt zu beschäftigten. Die Vorschriften des Arbeitsschutzes galten auch zuvor schon für das Fremdpersonal, ebenso der Mindestlohn oder die Sozialversicherungspflicht (nur in Ausnahmen waren die Werkvertragsunternehmen im rechtlichen Sinn ausländische Unternehmen – auch wenn sie ihr Personal dort rekrutierten). Und für Arbeitnehmerüberlassung gilt vom ersten Tag an nach § 8 (1) AÜG der Grundsatz, dass die Arbeitsbedingungen denen der Stammarbeitskräfte gleichgestellt sein müssen. Auf die Arbeitsbedingungen wirkt das GSA Fleisch also eher indirekt. Zu den erwarteten indirekten Wirkungsweisen zählt,

  • dass die Inhaberregelung bzw. das Verbot der Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung die Transparenz erhöht, wer für den Arbeitsschutz, die Anleitung und die Aufsicht des Personals zuständig ist. Erste Hypothese ist, dass dies Behörden die Kontrollen erleichtert. Zweitens kann dies Beschäftigte motivieren, Missstände stärker anzugehen. Drittens ist anzunehmen, dass auch Unternehmen unter den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen ihrer Verantwortung leichter und wirkungsvoller nachkommen können.
  • dass sich mit der Eingliederung des Fremdpersonals die Betriebsräte strukturell wandeln. Sie werden zukünftig von anderen Beschäftigtengruppen gewählt und für diese und ihre Arbeitsbedingungen mitverantwortlich. Und sie werden personell gestärkt.
  • dass sich die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite verbessert, wenn sie für ihre tarifgebundene Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung ein Entgegenkommen der Arbeitgeberseite in anderen Aspekten (z. B. bzgl. der Gehälter) einfordern können.

Aufgrund dieser indirekten Zusammenhänge braucht es Zeit, bis sich die möglichen Wirkungen des GSA Fleisch auf die Arbeitsbedingungen entfalten. Um im Rahmen ihrer Laufzeit dennoch zu belastbaren Erkenntnissen zu kommen, muss die Evaluation folglich nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Blick nehmen, sondern auch die vorgelagerten Veränderungen in den vertraglichen Strukturen und in der betrieblichen Organisation. Hierzu zählt auch die ggf. neue Rolle, die ehemalige Werkvertragsunternehmen nach der Eingliederung ihres Personals in das Stammunternehmen einnehmen. Mit analysiert werden müssen auch die Dritteinflüsse auf die Arbeitsbedingungen, wie z. B. die der COVID-19-Pandemie.

Methoden der empirischen Sozialforschung

Für die empirische Basis der Evaluation werden insbesondere vier Methoden kombiniert:

  • statistische Auswertungen amtlicher Daten, z. B. zu gemeldeten Arbeitsunfällen,
  • Durchführung und Auswertung von 49 Betriebsfallstudien, ausgewählt nach bestimmten Kriterien. Insgesamt wurden 155 Einzel- und 12 Gruppeninterviews mit unterschiedlichen Akteuren der Betriebe geführt.
  • Durchführung und Auswertung von 23 Einzel- und Gruppeninterviews mit insgesamt 37 Beschäftigten, die unabhängig von den Fallstudien für die Interviews gewonnen wurden.
  • Durchführung und Auswertung von 82 Interviews mit Stakeholdern bzw. Branchenexpertinnen und -experten (z. B. Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften). Diese Interviews dienten für eine vertiefende Kontextualisierung der im Rahmen der Fallstudien gewonnenen Empirie.

Darüber hinaus werden die Sekundärliteratur und Sekundärdaten zum Branchenbild aufbereitet und Betriebskontrollen von Aufsichtsbehörden teilnehmend begleitet.

Zentrale Ergebnisse

Die Rechtsprechung hat den Geltungsbereich des Gesetzes noch nicht abschließend geklärt. Ebenso wenig ist abschließend geklärt, ob Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung oder eine Feststellungsklage, kein Betrieb der Fleischwirtschaft zu sein, zulässig sind, wenn noch keine konkreten Prüfungsmaßnahmen durch das Hauptzollamt durchgeführt wurden. 

Die Evaluation konnte nicht feststellen, dass die Novelle des GSA Fleisch nachhaltig zu einem Rückgang der Produktion in der Fleischwirtschaft führt. Maßgeblich für Veränderungen in der Produktion sind Dritteinflüsse wie die Covid-19-Pandemie oder Schweinepest. Anpassungen der Personalorganisation durch die Novellierung führten jedoch bei einzelnen Unternehmen zu kurzfristigen Personalengpässen und einem temporären Produktionsrückgang.

Amtliche Daten und qualitative Ergebnisse zeigen, dass die Übernahme des Fremdpersonals im Kernbereich annähernd vollständig erfolgte. Entsprechend veränderten sich die Betriebsgrößen. Der Umfang des von branchentypischen Dienstleistern eingesetzten Fremdpersonals in der Fleischwirtschaft sank mit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle von rund 21 Prozent aller VZÄ im Jahr 2019 auf ca. fünf Prozent im Jahr 2021. Der verbleibende Anteil wird außerhalb des Kernbereichs eingesetzt, wo dies noch erlaubt ist. Nur in Einzelfällen wurde Fremdpersonal nicht übernommen (z. B. weil einige Beschäftigte dies nicht wollten, oder weil Unternehmen auf die Übernahme von Führungspersonal der Subunternehmer verzichteten, bei dem problematisches Verhalten gegenüber Beschäftigten beobachtet wurde). Verstöße gegen das Verbot von Fremdbeschäftigung betreffen seltene Einzelfälle. 

Insbesondere bei größeren Unternehmen war die Übernahme mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. Für zuvor von Subunternehmen erbrachte Leistungen für Beschäftigte (z. B. Transport, Behördengänge) übernehmen nun zumeist die Stammunternehmen die Verantwortung. Subunternehmen werden in einigen Fällen weiterhin insbesondere für die Rekrutierung in den Herkunftsländern einbezogen. Unternehmen, welche Fremdpersonal übernahmen, berichten von einer gestiegenen Identifikation der ehemalig Fremdbeschäftigten und von positiven Folgen, wenn sie nun kommunikativ und weisungsbefugt näher am Personal sind und zugleich die Beschäftigten flexibler einsetzen können.

Die Novellierung des GSA Fleisch hat die Transparenz in der Fleischwirtschaft, zu welchen Konditionen Beschäftigte in einem Betrieb beschäftigt sind, sowohl für das integrierte ehemalige Fremdpersonal als auch für die Aufsichtsbehörden erhöht. War vorher die Durchsetzung von Rechten und Ansprüchen erschwert, da das Fremdpersonal z. B. nicht wusste, bei wem es angestellt war, kommen nach Inkrafttreten des novellierten GSA Fleisch vergleichbare Missstände nur noch selten vor. Stammunternehmen achteten bei der Übernahme des Fremdpersonals sehr auf transparente Arbeitsverträge bzgl. möglicher Abzüge und der Berechnungsgrundlage der Zahlung. Arbeitsverträge werden zudem z. B. schriftlich übersetzt und die Beschäftigten können Vertragsentwürfe in Ruhe zu Hause lesen. Allerdings fehlt den Beschäftigten oftmals das Wissen zum deutschen Arbeitsrecht, diese Verträge zu interpretieren. Dennoch zeigen die qualitativen Daten, dass unzulässige Vertragsregelungen seltener wurden – ein Indiz, dass Stammunternehmen stärker die Verantwortung akzeptierten, nur zulässige Regelungen aufzunehmen. Die digitale Arbeitszeiterfassung erhöht deutlich die Transparenz über geleistete Stunden und reduziert damit mögliche Konflikte. Nicht nur Arbeitgeber sind dadurch stärker gebunden, die faktisch geleisteten Stunden zu zahlen, sondern manchem Beschäftigten macht sie transparent, warum er ggf. weniger Lohn erhält, z. B. aufgrund von unentschuldigtem Fehlen im betreffenden Monat.

Die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung haben sich mit der Novellierung des GSA Fleisch verbessert. Hier wirken a) die höhere Transparenz der Verträge, b) die gestiegene Bereitschaft Beschäftigter, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, c) hohe Akzeptanz für Recht in den Stammunternehmen und d) leichtere Kontrollen der Aufsichtsbehörden ineinander.

Beschäftigte der Fleischwirtschaft wenden sich zwar genau so häufig wie früher an Beratungsstellen, allerdings nun mit weniger schwerwiegenden Anliegen. Die Stammunternehmen halten sich stärker an Recht als frühere Subunternehmen, z. B. sind rechtskonforme Kündigungen nun der Normalfall. Wenden sich Beschäftigte oder Beratungsstellen bei Rechtsverstößen nun an Unternehmen, reagieren die Personalverwaltungen nun meist schnell und positiv und leiten entsprechende Korrekturen ein. Zudem finden Beratungsstellen nun unkomplizierter die Ansprechpersonen der Personalverwaltung. Zuvor zögerten einige Subunternehmen die Kommunikation mit Beratungsstellen so lange heraus, bis die Beschäftigten wieder im Herkunftsland waren. Höhere Rechtstreue der Stammunternehmen heißt jedoch nicht, dass immer auch eine stärkere Orientierung an den Interessen der Beschäftigten erfolgen würde.

Kontrollen des Versicherungsträgers und der Arbeitsschutzbehörden in den Betrieben haben sich etwas erleichtert, z. B. da durch die Integration des Fremdpersonals mit weniger Ansprechpersonen für den Arbeitsschutz kommuniziert werden muss. Wie relevant dies für die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ist, wird innerhalb der BGN unterschiedlich interpretiert. Hingegen sind durch die Digitalisierung der Zeiterfassung die Kontrolle von Arbeitszeiten nun weitaus einfacher und Verstöße nun erstmals gut identifizierbar. Dies ist wiederum oft eine Voraussetzung für den Nachweis von Mindestlohnunterschreitungen.

Der Arbeitsschutz wurde vor der Novellierung des GSA Fleisch nur unzureichend umgesetzt und war – so Darstellungen in Interviews und Literatur – gekennzeichnet von z. B. mangelnden Einweisungen, unzureichender Schutzkleidung oder dem Ausbleiben medizinischer Versorgung. Ein Zusammenhang zum starken Einsatz von Fremdpersonal bestand, da die Werkvertragsunternehmen dem Arbeitsschutz oftmals keine hohe Priorität beimaßen. Dies schließt nicht aus, dass der Arbeitsschutz mancher Subunternehmen tadellos war und der Einfluss von Arbeitnehmerüberlassung auf den Arbeitsschutz geringer war. Die Stammunternehmen haben auch deshalb ein höheres Interesse Arbeitsunfälle zu vermeiden, da Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei ihnen stärker verankert ist als bei den Subunternehmen. Die Zahl der Verletzungen ist seit der Novellierung jedoch erst geringfügig gesunken. Dieser Wandel der Unternehmenskultur braucht Zeit.

Ob sich durch die Novellierung des GSA Fleisch Arbeitsbedingungen der Fleischindustrie verändert und Rechtsverstöße abgenommen haben, ist stark vom betrachteten Teilbereich abhängig: Der bei Subunternehmen nicht unübliche Druck auf Beschäftigte auch erkrankt auf Arbeit zu erscheinen oder im Krankheitsfall Urlaub zu nehmen, hat deutlich abgenommen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde der Normalfall. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz waren vormals üblich, auch weil sie kaum nachweisbar waren. Mit der neuen Arbeitszeiterfassung sind diese Missstände weitgehend abgestellt. Weil sich mit dieser Arbeitszeiterfassung erstmals Verstöße gegen den Mindestlohn sicher nachweisen lassen, sind sie seltener geworden, auch wenn ihre Zahl in der amtlichen Statistik ansteigt. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn ist gestiegen, allerdings gegenüber dem Trend der vergangenen Jahre nicht signifikant schneller. Je nach Unternehmen ist die konkrete Lohnentwicklung aber unterschiedlich. Durchweg sind die Lohnzahlungen jedoch transparenter geworden und illegale Abzüge z. B. für Arbeitsmaterialien oder unterschlagene Arbeitsstunden deutlich seltener. Obgleich bei der Übernahme befristete Verträge bzw. neue Probezeiten auch für das schon erprobte Personal üblich waren, haben sich die Chancen auf einen unbefristeten Vertrag erhöht.

Einige Beobachtungen sprechen dafür, dass Tendenzen zur Integration des ehemaligen Fremdpersonals in der Region mit der Etablierung von Normalarbeitsverhältnissen durch die Novellierung des GSA Fleisch befördert wurden (z. B. Nachzug von Familien oder Wohnen vor Ort). Wie groß der Beitrag der Novellierung ist und ob sich solche im Einzelfall beobachteten Tendenzen langfristig durchsetzen, ist unsicher. 

Als nicht intendierte Folge der Novellierung kann gelten, dass sich einzelne Unternehmen der rechtlichen Verantwortung für unzureichende Wohnungen des Personals durch die Überführung in private Mietverträge entledigt haben. Darüber hinaus kritisierten mehrere Unternehmen die rund um die Novellierung geführte Diskussion, die nicht ausreichend zwischen rechtschaffenden Unternehmen und „schwarzen Schafen“ differenzierte. Die unzutreffenden Verallgemeinerungen hätten zu einer Verschlechterung des Branchenimages geführt, was sich negativ auf die ohnehin schon schwierige Arbeitskräftegewinnung auswirke. Ob es diesen Effekt gab, konnte die Evaluation nicht prüfen.

Im Fleischerhandwerk spielte der Einsatz von Fremdpersonal sowohl vor als auch nach dem novellierten GSA Fleisch keine relevante Rolle. Aus Gründen der Rentabilität und der Qualitätssicherung verzichteten zahlreiche Handwerksunternehmen auf Fremdpersonal. Der Handlungsbedarf in Hinblick auf die Arbeitsbedingungen war verglichen mit der Industrie gering. Ob es die Handwerksausnahme gebraucht hätte, ist unsicher. Denn neben nur geringen Einsatz von Fremdpersonal wird sich eine Pflicht zur systematischen Aufzeichnung von Arbeitszeiten zukünftig voraussichtlich branchenunabhängig aus der Umsetzung von Vorgaben der EuGH im deutschen Recht ergeben. Die Handwerksausnahme stößt jedoch auf Akzeptanz und sie erzeugte keine weiteren Probleme. Die Beschränkung der Ausnahmeregelung für das Handwerks auf Betriebe mit maximal 49 Personen exklusive Verkauf und Auszubildende kann helfen, die Umgehung des Verbots von Fremdbeschäftigung zu vermeiden. Ob der genaue Wert für die Abgrenzung zur Industrie optimal sei, ist strittig. Die Empirie liefert jedoch keinen eindeutig besser geeigneten Schwellenwert.

Wenige Unternehmen nutzen über die Ausnahmeregelung in der Verarbeitung Arbeitnehmerüberlassung; zumeist ist die Quote von acht Prozent bzw. 100 Vollzeitäquivalenten ausreichend. Die qualitativen Ergebnisse sprechen dafür, dass Bedarf an Leiharbeit bestehen kann, insbesondere bei kleineren industriellen Verarbeitungsunternehmen, die sich mit den Herausforderungen von saisonal bedingten Produktionsspitzen konfrontiert sehen. Die Folgen der Arbeitnehmerüberlassung für die Arbeitsbedingungen vor der Novellierung können weniger deutlich bewertet werden als die der Werkverträge. Einerseits ließ sich Arbeitsschutz auch bei Leiharbeit gut sichern, falls das Stammunternehmen hierauf Wert legte. Andererseits waren in der Praxis die Grenzen zwischen Leiharbeit und Werkverträgen fließend. Wären nur Werkverträge verboten worden, hätte das Risiko bestanden, dass Subunternehmen aus Werkverträgen zur Arbeitnehmerüberlassung gewechselt hätten und vielfältige Missstände beibehalten worden wären. Hiergegen sind die im novellierten GSA Fleisch gesetzten Einschränkungen für die Arbeitnehmerüberlassung und die Bindung an einen darauf bezogenen Tarifvertrag ein hinreichender Schutz. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Evaluation, die Ausnahme zur Leiharbeit in der Fleischverarbeitung zu entfristen. Die empirischen Ergebnisse zeigen keinen Anpassungsbedarf an. Die Regelungen zur Quote, Einsatzdauer und Tarifverträgen sowie zur Meldung und Kontrolle sollten beibehalten werden.

Der vom BMAS veröffentlichte Abschlussbericht ist hier herunterzuladen.

In einer Pressemeldung nimmt der Bundesminister Hubertus Heil positiv Bezug auf die Evaluation.

Publikation

  • Sommer, J. / Karb, S. / Bröker, L. / Rennert, C. / Maaßen, J. / Wiesemann, E. / Flatters, B. / Perry, S. (2023). Die Evaluation nach § 8 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch). Abschlussbericht (Forschungsbericht BMAS 633).

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