Evaluation der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit

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Zum Hintergrund der Evaluation

Seit Längerem wird über eine aus Sicht vieler Expertinnen und Experten ungerechtfertigt hohe Belastung von Privatpersonen durch die massenhafte Inanspruchnahme von Überziehungskrediten diskutiert. Hintergrund hierfür sind insbesondere die in vielen Fällen hohen Zinsen für diese Kreditarten, die trotz eines niedrigen EZB-Leitzinses (zum Zeitpunkt der Untersuchung bei 0 Prozent) nur langsam sinken. Im Jahr 2013 wurde deshalb das Ziel, Kundinnen und Kunden von Banken vor einer übermäßigen Belastung zu schützen, in den Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode aufgenommen. Demnach sollten „Banken verpflichtet werden, beim Übertritt in den Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben; bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme sollen sie dem Kunden eine Beratung über mögliche kostengünstigere Alternativen zum Dispositionskredit anbieten müssen“.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016 sind entsprechende Regelungen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in Fällen dauerhafter und erheblicher Überziehung eingeführt worden und am 21. März 2016 in Kraft getreten. Gemäß § 504a Abs. 1 S. 1 BGB sind Banken und Kreditinstitute seither dazu verpflichtet, Kundinnen und Kunden ein Angebot zur Beratung zu unterbreiten, wenn eine eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (im folgenden Dispositionskredit) ununterbrochen über einen Zeitraum von sechs Monaten und durchschnittlich in Höhe eines Betrages, der 75 % des vereinbarten Höchstbetrages übersteigt, in Anspruch genommen wurde. Bei einer geduldeten Überziehung hat der Darlehensgeber seinen Kundinnen und Kunden gemäß § 505 Abs. 2 BGB eine Beratung anzubieten, wenn diese ununterbrochen über mehr als drei Monate und zu mehr als der Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto genutzt wird.

In der Begründung zur Einführung der rechtlichen Regelung war die Absicht formuliert, die Erreichung der Ziele der §§ 504a und 505 Abs. 2 S. 2 BGB durch eine Evaluierung bis zum März 2021 überprüfen zu lassen. Im April 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz InterVal in Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Kai-Oliver Knops mit der Evaluierung der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit beauftragt. In einem zehnmonatigen Forschungsvorhaben wurden die geltenden Regelungen zur Beratungsangebotspflicht insbesondere hinsichtlich ihrer Umsetzung in der Praxis sowie der Wirksamkeit und Zielerreichung von uns untersucht.

Über die Evaluation

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein Evaluierungsdesign entwickelt, das Erhebungen bei allen relevanten Gruppen und wo immer möglich die Betrachtung von Aspekten aus mehreren Perspektiven enthält (Mehrperspektiven-Ansatz). Die Datengrundlage umfasst

  • eine standardisierte Online Befragung einer geschichteten Stichprobe zentraler Stellen von Banken und Kreditinstituten,
  • eine standardisierte Befragung von Bankmitarbeitenden, die Beratungen durchführen,
  • eine Befragung von über 10.000 Verbraucherinnen und Verbrauchern,
  • eine standardisierte Online-Befragung von über 200 Schuldnerberatungsstellen und
  • telefonische Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden.
  • Zudem wurden thematisch einschlägige statistische Sekundärdaten sowie die vorhandene wissenschaftliche Literatur zum Thema ausgewertet.

Im Sinne des Mehrperspektiven-Ansatzes wurden die verschiedenen Befragungsgruppen teilweise zu gleichen Themen befragt. Die so gewonnene Datenbasis lieferte die Grundlage für die Beantwortung der Forschungsfragen und die Ableitung von Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber.

Ergebnisse

Zusammenfassend lässt sich anhand der gewonnenen Daten feststellen, dass Banken und Kreditinstitute mehrheitlich ihrer gesetzlichen Pflicht zur Unterbreitung von Beratungsangeboten sowie zur Durchführung von Beratungsgesprächen in Fällen dauerhafter und erheblicher Überziehung nachkommen. Sowohl die Übermittlung der Beratungsangebote als auch die Durchführung der Beratungsgespräche entsprechen dabei in aller Regel den gesetzlichen Vorgaben.

Dass die Beratungsangebotspflicht insgesamt zu einem signifikanten Rückgang der Nutzung von Überziehungsmöglichkeiten in Deutschland und in der Folge zu einer Reduktion der damit verbundenen Belastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt hat, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Die Ergebnisse der Evaluierung zeigen jedoch insbesondere für bestimmte Bevölkerungsgruppen, dass sowohl das Beratungsangebot als auch die Beratung wirksam sind. Betroffenen mit schwerwiegenden finanziellen Problemen hilft dieses Instrument jedoch kaum. Um auch diese Teilgruppen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erreichen und insgesamt noch besser vor einer übermäßigen Belastung durch Dispositions- und Überziehungskredite zu schützen, wurden Empfehlungen zur Optimierung bzw. Ergänzung des Instruments abgeleitet.

Publikation

  • Ekert, St. / Knops, K.-O. / Poel, L. (2021). Evaluierung der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit in §§ 504a, 505 Absatz 2 Satz 2 BGB. Abschlussbericht. Berlin.