Bewertung des EU-Schulprogramms in Baden-Württemberg für die Schuljahre 2017/18 bis 2021/22

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Hintergrund der Evaluation

Eine ausgewogenere Ernährung von Kindern zu fördern und Wissen über Nahrungsmittel, die landwirtschaftliche Erzeugung von Lebensmitteln sowie deren Zubereitung zu vermitteln, sind die vorrangigen Ziele des EU-Schulprogramms. In diesem groß angelegten Projekt fördert die Europäische Union die Verteilung von Obst, Gemüse, Milch und Milchprodukten an Kinder in staatlich anerkannten Erziehungseinrichtungen, die dort kostenlos ausgegeben werden. Auf diesem Weg sollen die Kinder den Wert dieser Lebensmittel für eine gesunde Ernährung erfahren und dazu angeregt werden, mehr davon zu verzehren. Ausgeteilt wurden die Nahrungsmittel unter pädagogischer Begleitung und außerhalb der Mittagessenszeit.

Ursprünglich richtete sich das Programm vor allem an Schülerinnen und Schüler der Primarstufe, in den meisten Bundesländern also Klassenstufen 1 bis 4 an Grundschulen, aber auch an Kindertageseinrichtungen (Kita). In Baden-Württemberg, wo InterVal das Programm über einen Zeitraum von mehreren Jahren untersucht hat, machten Kitas allerdings etwa zwei Drittel der teilnehmenden Einrichtungen aus. Die Förderung lief vom Schuljahr 2017/2018 bis zum Schuljahr 2022/2023.  Auftraggeber für die Evaluation war das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.  

Seit dem Schuljahr 2017/18 ist die Zahl der teilnehmenden Einrichtungen stetig gestiegen, im Schuljahr 2022/23 auf 5.489, womit zuletzt weit über 450.000 Kinder erreicht wurden. Bei der Förderung wird jeder Portion Obst, Gemüse oder Milch ein fester Betrag zugeschrieben, der die Nettokosten für Produkt und Lieferung decken soll.

Die Auswahl der Lebensmittel, die gefördert werden, ist begrenzt auf frisches Obst und Gemüse (mit Ausnahme von Hülsenfrüchten) sowie Milch und Milchprodukte, welche widerum nicht mit Zucker, Salz, Fett, Süßungsmitteln oder künstlichen Aromen und Geschmacksverstärkern versehen und nicht gegart, gekocht oder gesäuert sind. Innerhalb dieser Einschränkungen könnten die Grundschulen und Kindertagesstätten die Lebensmittel, die sie verteilen, frei wählen. Lieferantinnen und Lieferanten, die Einrichtungen im Rahmen des Programms versorgen wollen, müssen hierfür eine Zulassung beantragen. In Baden-Württemberg muss dies beim Regierungspräsidium Tübingen geschehen.

 

Ziele und Methoden der Evaluation

In unserer Evaluation sollte untersucht werden, welche Wirkungen das EU-Schulprogramm bei Kindern, ihren Familien und in den Einrichtungen hat und wie die jeweiligen Zielgruppen das Programm bewerten. Aus einer Analyse der praktischen Umsetzung sowie der Erfahrungen aller Beteiligter sollte InterVal Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Programms ableiten. 

Die empirische Basis für unsere Untersuchung bildeten Befragungen von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von pädagogischen Personal der Einrichtungen sowie Grundschul- bzw. Kindertagesstättenleitungen. 

Um die Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern, insbesondere die vielen verschiedenen Einflüsse auf die Kinder innerhalb und außerhalb der Einrichtungen – etwa im familiären Umfeld – zu berücksichtigen und Auswirkungen anderer Faktoren von den Wirkungen des EU-Schulprogramms besser abgrenzen zu können, verwendeten wir ein Kontrollgruppendesign.  

Die Befragungen wurden nach einem Difference-In-Differences (DID)-Ansatz durchgeführt. Dabei wurden der Verhaltens-, Wissens- und Kompetenzstand der teilnehmenden Kinder sowie der Kontrollgruppe – Kinder, die nicht am EU-Schulprogramm teilnahmen –  zu zwei Zeitpunkten, die ein Jahr auseinanderlagen, abgefragt und anschließend verglichen, wie sich dieser Stand innerhalb der jeweiligen Kindergruppen in der Zwischenzeit entwickelt hat.

Da Kinder erst ab einem bestimmten Alter in der Lage sind, die für die Erhebung relevanten Fragen zu beantworten, beschränkte sich die Befragung auf Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Jahrgansstufe. Zusätzlich wurden die Einschätzungen von Lehrkräften zu den Wirkungen des EU-Schulprogramms einbezogen. 

Den Befragungen der Schülerinnen und Schüler vorausgegangen waren umfassende Erhebungen, die sich in mehrere Module gliederten: Das erste Modul umfasste eine Dokumentenanalyse, welche Zielsetzung, Teilnahmebedingungen und eine „Bestandsaufnahme“ teilnehmender Einrichtungen des Programms erfasste. Ein weiteres beinhaltete ein Expertinneninterview mit einer Vertreterin der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum Schwäbisch Gmünd (LEL) zur pädagogischen Begleitung des Programms.In weiteren Modulen wurden Grundschulleitungen, pädagogische Fachkräfte in Kitas sowie teilnehmende Lieferantinnen und Lieferanten befragt, in teilstandardisierten Online- sowie schriftlichen Befragungen.

Ergebnisse

Die Evaluation ergab, dass der durchschnittliche Verzehr von Gemüse bei Kindern, die an dem Programm teilnahmen, und der von Kindern aus den jeweiligen Kontrollgruppen etwa gleich hoch war. Allerdings konsumierten Kinder, an die regelmäßig Milch über das Schulprogramm ausgegeben worden war, im Verlauf des untersuchten Zeitraumes mehr Milch als Kinder, die diese nicht über das Programm erhalten hatten.  

Wenig Einfluss hatte das EU-Schulprogramm offenbar beim Aufbau von Wissen über Nahrungsmittel. Die Untersuchung konnte dennoch eine Reihe kleinerer positiver Entwicklungen feststellen und legt im Ergebnis daher nahe, dass sich das EU-Schulprogramm insgesamt positiv auswirkt. Grundsätzlich bewerteten auch Kinder sowie pädagogische Fachkräfte und Eltern die Verteilung der Nahrungsmittel im Rahmen des EU-Schulprogramms und dessen Umsetzung allgemein sehr positiv.