Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: Positive Veränderungen der Vertragslaufzeiten erkennbar

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Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist das zentrale rechtliche Instrument für die befristete Beschäftigung im deutschen Wissenschaftssystem. Die gesetzlichen Bestimmungen wurden im Jahr 2016 novelliert. Ein wichtiges Ziel war es, unsachgemäße Kurzbefristungen zu vermeiden und dadurch die Verlässlichkeit der befristeten Beschäftigung zu erhöhen. InterVal und das HIS-Institut für Hochschulentwicklung haben die Auswirkungen des geänderten WissZeitVG untersucht. Die Evaluation hat eine positive, jedoch noch keine nachhaltige Veränderung der Vertragslaufzeiten festgestellt.

Die Entwicklung der Vertragslaufzeiten konnte anhand der Beschäftigungsverläufe von rund 34.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nachgezeichnet werden, die im Dezember 2020 einen befristeten Arbeitsvertrag hatten. Im Jahr 2015 betrug die mittlere Vertragslaufzeit an den Universitäten rund 15 Monate (nicht promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) bzw. 17 Monate (Promovierte). Im Jahr 2017 hatten sich die Laufzeiten der befristeten Arbeitsverhältnisse bereits deutlich verlängert, im Mittel auf  21 bzw. 22 Monate. Ein wichtiger Faktor für diese positive Entwicklung war die Zunahme von Arbeitsverträgen mit einer dreijährigen Laufzeit. Nach dem Höchstwert im Jahr 2017 haben sich die Laufzeiten in den Jahren 2018 und 2019 auf einem Niveau von rund 20 Monaten eingependelt, im Pandemie-Jahr 2020 ist der Wert um 2,7 Monate gesunken. Die im Jahr 2021 abgeschlossenen Arbeitsverträge konnten bei der Datenerhebung nicht berücksichtigt werden.

Eine mit den Universitäten vergleichbare Entwicklung konnte auch bei den anderen Einrichtungen beobachtet werden. Das Niveau der Vertragslaufzeiten liegt an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und im Bereich der Humanmedizin tendenziell über den Werten der Universitäten und an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) leicht darunter.

Der Anteil der Kurzbefristungen ist nach der Gesetzesnovelle geringer geworden. Es bleibt jedoch ein persistenter Sockel. Lässt man das Pandemie-Jahr 2020 außer Acht, hat an den Universitäten und HAW ungefähr ein Drittel der in einem Kalenderjahr abgeschlossenen Arbeitsverträge eine Laufzeit von weniger als zwölf Monate; bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und im Bereich der Humanmedizin gilt dies für ein Viertel der befristeten Arbeitsverträge. Unabhängig von der Einrichtung sind die Beschäftigten nicht im gleichen Ausmaß von den Kurzbefristungen betroffen. Während etwa die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im laufenden Beschäftigungsverhältnis noch keinen kurz laufenden Vertrag unterschrieben haben, konzentrieren sich 50 Prozent der Kurzbefristungen (einschließlich der Verträge mit einer einjährigen Laufzeit) bei einem Zehntel der Beschäftigten. Ein wichtiger, jedoch nicht der einzige Faktor dieser Ungleichverteilung ist die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Wer länger beschäftigt ist, hat mehr Zeit gehabt, Kurzbefristungen zu sammeln.

Um kurz befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, bestimmt das WissZeitVG seit der Novelle, dass die Vertragslaufzeiten einer angestrebten Qualifizierung bzw. der Dauer eines Drittmittelprojekts entsprechen sollen. Bei einer Online-Befragung von rund 6.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben die Beschäftigten u. a. die Angemessenheit der Vertragslaufzeiten eingeschätzt. Rund 40 Prozent der Befragten, für die die Frage relevant ist, halten es für realistisch, die angestrebte Qualifizierung während der Laufzeit des aktuellen Vertrags zu erreichen, rund 50 Prozent halten die Zeit für zu kurz bemessen. Die Einschätzung hängt u. a. davon ab, wieviel Arbeitszeit die aktuelle Beschäftigung für die eigene Qualifizierung zulässt. Wenn sich die Laufzeit des Arbeitsvertrags an der Dauer eines Drittmittelprojekts orientieren soll, bestätigen 70 Prozent der befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die beiden Zeiträume übereinstimmen. Die Zeiträume weichen voneinander ab, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler z. B. erst nach dem Start in das Projekt eingestiegen sind, oder wenn sie nur für einen bestimmten Abschnitt mitarbeiten.

Die festgestellten Veränderungen der Vertragslaufzeiten wurden nicht nur durch die Novelle des WissZeitVG verursacht. In den meisten Bundesländern und an vielen Einrichtungen wurden Maßnahmen durchgeführt, rechtliche Bestimmungen geändert und Vereinbarungen getroffen, um die Bedingungen für die befristet beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlässlicher zu gestalten.

Über die Entwicklung der Vertragslaufzeiten sowie die Einschätzungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinaus berichtet die Evaluation umfassend über die Anwendung des WissZeitVG an den Universitäten, HAW, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken.

Auftraggeber für die im Januar 2020 begonnene Evaluation ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die auf zwei Jahre angelegte Untersuchung hat aufgrund von pandemiebedingten Verzögerungen vier bis fünf Monate länger gedauert als ursprünglich geplant.

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