Aktueller Forschungsbericht beschreibt Gründe für den Rückgang von Zivilklagen

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Trend zu alternativer Streitbeilegung

InterVal übergibt dem Justizministerium Forschungsbericht zu den Ursachen rückläufiger Zivilverfahren

Der über viele Jahre beobachtbare Rückgang erstinstanzlicher Klagen bei Amts- und Landgerichten ist den Forschungsergebnissen nach auf eine Reihe unterschiedlicher Einflüsse zurückzuführen.

Zunehmend streben sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen außergerichtliche Einigungen an, um Konflikte zu vermeiden oder beizulegen. Insbesondere die zu erwartende Dauer der Verfahren sowie das wirtschaftliche Risiko und die schwer einschätzbaren Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses scheinen potenzielle Kläger davon abzuhalten, vor Gericht zu ziehen. Zwischen 2005 und 2019 ging die Zahl der Verfahren bei den Zivilkammern um mehr als 30 Prozent zurück – in absoluten Zahlen sind das 600.000 Verfahren weniger. 

Gleichzeitig landen nicht viel mehr Auseinandersetzungen vor Schiedsgerichten oder Schlichtungsstellen. Stattdessen zeichnet sich die Tendenz ab, Verfahren zu vermeiden oder eine alternative Streitbeilegung anzustreben. Die fachliche Qualifikation juristischer Akteure sowie die Ausstattung der Gerichte scheinen aus Sicht befragter Anwältinnen und Anwälte dabei ebenfalls eine Rolle zu spielen.

Dies ergab eine umfangreiche Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz (BMJ), die InterVal in Kooperation mit Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich und Prof. Dr. Armin Höland von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie der früheren Berliner Kammergerichts-Präsidentin Monika Nöhre durchgeführt hat. Den Abschlussbericht der Untersuchung haben die Beteiligten des Forschungskonsortiums der Staatssekretärin im Bundesministerium, Dr. Angelika Schlunck, übergeben.

In ihrem Bericht beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als weitere Gründe für den Rückgang von Zivilklagen, dass insbesondere Unternehmen, von denen die Mehrzahl der Zivilklagen ausgeht, überwiegend auf außergerichtliche Konfliktlösungen setzen, etwa durch Kulanzangebote. 

Auch die telefonische Beratung der Rechtsschutzversicherungen trägt offenbar dazu bei, dass ein Großteil der Auseinandersetzungen geklärt werden, bevor sie vor Gericht landen. Eine große Mehrheit entscheidet sich jedoch zu einer Klage, wenn dies eine Anwältin oder ein Anwalt empfiehlt. Immer häufiger raten die Anwaltschaft und Verbraucherberatungsstellen jedoch davon ab, weil die unsicheren Erfolgsaussichten immer seltener Aufwand und Risiko eines Zivilprozesses rechtfertigen.

Über einen Zeitraum von 30 Monaten analysierte unser Forschungsteam Justizstatistiken und untersuchte auch den Einfluss von Kontextfaktoren wie das jährliche Wirtschaftswachstum. Zudem haben wir rund 300 Unternehmen, 7.500 Privatpersonen und mehr als 2.000 Anwältinnen und Anwälte sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden befragt. Auch wertete unser Team eine Zufallsauswahl von Akten von Amts- und Landgerichten aus und untersuchte zudem Jahresberichte und Statistiken von Schlichtungsstellen, Schiedspersonen und Rechtsschutzversicherern. 

Die Studie, die von einem beratenden Beirat fachlich begleitet wurde, liefert empirisch fundierte Ansatzpunkte, wo Weiterentwicklungen innerhalb der Justiz und des Zivilprozesses erforderlich sind und endet mit einer Reihe von Empfehlungen dazu. Ein Schlüssel zu effizienteren Abläufen wird auch bei Zivilprozessen die Digitalisierung sein. 

Der Abschlussbericht kann auf der Seite des BMJ heruntergeladen werden.